Christoph Bernh.                     Gottvergessenheit

Schlüter           

1801 – 1884                                                   Weh’ jenem, der nicht seines Urquells denket,

In Nichtiges vertieft, nach Gott nicht fragt,

Sich Gott versagt, der Welt kühn Amen sagt,

In ihren Strom kopfüber sich versenket!

 

Der Sinnenlust, der Hoffart Becher tränket

Ihn bis zur Trunkenheit; dann wird es Nacht.

Ihn flieht der Ew’ge von der Höh’ und lacht,

Wie er, vor Ihm zu flieh’n, die Schritte lenket.

 

Urplötzlich stumm wird ihm das Erdgetümmel,

Und eitel, treulos und verrucht erkennt

Er selber sich, von Welt und Gott verlassen.

 

Ihn ruft kein Laut, ihm winkt kein Stern vom Himmel,

Den eine ew’ge Kluft von beiden trennt,

Und einsam muß er zagen und erblassen.

 

 

 

 

 

 

Christoph Bernh.                     Meeresstille

Schlüter           

1801 – 1884                                                   Ein leises Grau’n beschleichet die Matrosen,

Wenn tief im Südmeer völlig stille steht

Das mächt’ge Schiff, kein Wind die Segel bläht,

Kein Hauch sich regt und keines Lüftchens Kosen.

 

Viel Tage lang blickt bang mit hoffnungslosen,

sehnsüchtgen Blicken auf die Majestät

Des weiten Meer’s der Kapitän und fleht

Selbst Stürme her, Orkan’ und Wasserhosen.

 

Windstille ist’s. Der ehr’ne Himmel schweigt,

Die Sonne glüht auf den metall’nen Spiegel

Des Meer’s herab; die Mannschaft stumm verschmachtet.

 

So ist’s der Seele, welche starr, erbleicht

In matten Händen Steuer hält und Zügel,

Den Willen alles, Gnade nichts geachtet.

 

 

 

 

 

 

Christoph Bernh.                     Selig sind die Trauernden

Schlüter           

1801 – 1884                                                   Vergebens ruft ihr mich zu Fest und Spiel,

Zum üpp’gen Mahl in Goldpalastes Schimmer,

Voll Purpurglanz und Scherz; mich lockt es nimmer,

Nicht bann’ ich den Gedanken an das Ziel.

 

Viel lieber weil’ zerrissen im Gewühl

In Thränenströmen heiß auf Salems Trümmern

Ich mit zerlumpten Juden, im Gewimmer

Wehklagend, daß Jehovas Veste fiel.

 

O eure laute Pracht und Üppigkeit,

Ihr Satten, eure Lust und stolze Rede

Bannt fern den Frieden und die Huld des Herrn.

 

Doch von dem Trauernden ist Gott nicht weit;

Dem Armen geht sein Licht auf in der Öde,

Und ihm erglänzt sein sel’ger Hoffnungsstern.